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Freitag, 19. Oktober 2012

Feminismus?

Hey, ich bin misstrauisch gegen -ismen aller Art. Sozialismus, Rassismus, Feminismus, Rheumatismus und so.
Schubladisierung ist nicht meins und der politische Anspruch, der mir aus manchen Ecken entgegenschallt, der ist nicht meiner. Meine Lebenswirklichkeit als Muslimin, Mutter, Unternehmerin, Kleinstadtbewohnerin lässt mir das seltsam abgehoben erscheinen, weltfremd irgendwie. Aber das erscheint mir vordergründig.

Als wir Kinder waren, haben wir manchmal die Straßenbahn nicht bekommen, weil meine Mutter mit hohen Schuhen und engem Rock nicht so schnell laufen konnte wie wir. Ich habe mit meinen sieben Jahren nicht verstanden, warum sie das macht. Damals, 1975, waren Frauen noch Hausfrauen und Männer noch Lohntütenbefüller. Frauen waren adrett und Männer strahlten Macht aus. Das fand ich irgendwie - seltsam.

Also, nicht dass ich es falsch finde, dass Frauen Kinder großziehen und Männer arbeiten gehen, im Gegenteil: gewisse stereotypische Zuschreibungen machen das Leben leichter, davon bin ich überzeugt. Aber ich empfand die Rollen meiner Eltern als eine Art Gefängnis, das wollte ich nicht.

Ich habe im Laufe meines Lebens viele dieser Grenzen niedergerissen, innere wie äußere, und die Erfahrung machen dürfen, dass die inneren wesentlich härter sind. Dass es leichter ist, Kunden von meiner Kompetenz zu überzeugen als mich selbst. Dass ich diejenige bin, die am schlechtesten von mir spricht. Das hat wehgetan und mich reifen lassen - so soll es sein.

Heute bin ich Unternehmerin, und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, wenn irgendwelche Leute anrufen, den Chef sprechen wollen und erfahren wollen, dass sie mit der Chefin bereits sprechen. Bei uns sind die Männer die Angestellten und die Frauen die Chefs. Solange das immer noch fassungsloses Erstaunen bei manchen Anrufern hervorruft, so lange ist Feminismus nötig.

Aber ich bin nicht nur Unternehmerin, ich bin auch Muslimin. Muslimin zu sein, heißt: ich unterwerfe mich Allah und sonst niemandem. Niemand auf dieser Welt hat mir wirklich etwas zu sagen, denn ich gehöre Gott allein. Auch das versteht kaum einer: dass sich unterwerfen stark macht. Frei macht von all diesem Erfolgs-Schikimickikram, den niemand braucht. Ich muss nicht hübsch sein, nicht nett, nicht in irgend einer Weise akzeptabel. Ich darf so sein, wie ich gedacht bin.

Mit diesem Wissen eckt frau fast automatisch an. Das ist aber nicht feministisch, das geht weit darüber hinaus, es ist zutiefst liberal und humanistisch und man wird damit zum erklärten Feind all jener, die ungerechte Situationen schaffen und erhalten, weil sie ihren Nutzen davon haben. Dass das oft Männer sind, ist wiederum etwas, was den Feminismus befeuert, und so schließt sich der Kreis.

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