Liebe Leserin, lieber Leser,
Der Ramadan ist wohl für jeden Muslim eine besondere Zeit. Während ich vordergründig damit beschäftigt bin, mit Durst und Müdigkeit klarzukommen, ist etwas im Inneren geschehen, was mir wegen der Erschwernis im Äußeren zuerst gar nicht auffiel.
Zuerst einmal: einen ganzen Tag nichts zu essen ist für den Körper kein wirkliches Problem, für die Seele aber schon: satt sein macht zufrieden, tröstet und stabilisiert auf subtile Weise den Alltag. Wenn das wegfällt, werde ich empfindlicher, dünnhäutiger. Ich spüre deutlicher, was ich brauche und bin weniger fähig, Konflikte einfach unter den Teppich zu kehren.
Auch die Müdigkeit trägt ihren Teil dazu bei, mein Schutzschild dünner zu machen. Für manche "Spielchen" habe ich einfach in den letzten Wochen keine Kraft gehabt. Schlaf ist wichtig, es wird nur das Nötigste gemacht - und das, wo ich sonst oft Probleme habe, das Wichtigste zu erkennen.
Dann die Gebete am Ende der Nacht - nicht formalisiert sondern einfach das, was mir in den Sinn kommt. Ich fühlte mich meinem Schöpfer so nah, oft so direkt verbunden. Konnte Dankbarkeit spüren und Demut vor dem, was er geschaffen hat und erkennen, wie barmherzig und gnädig er ist. Oftmals wusste ich gar nicht, worum ich hätte bitten wollen, spürte: er weiß es ohnehin was ich brauche, ich darf vertrauen.
Diese Zeit am Tagesanbruch war ich ganz alleine mit Ihm, und was mich sonst oft stört, kein muslimisches Umfeld zu haben, erwies sich als Segen. Nichts was mich hätte ablenken können, ich war ganz da.
Ich lese immer regelmäßig im Koran, im Ramadan aber erheblich mehr als sonst. Ich habe mehr gebetet, mich mehr mit Schwestern über den Islam und meine Glauben ausgetauscht. Ich fühle mich - nun, aufgetankt. mit neuer Kraft und neuer Zuversicht befüllt. Reich beschenkt bin ich.
Ich hatte mir viel vorgenommen für diese Zeit, Suren auswändig lernen, Koran lesen, solche Dinge. Manches habe ich geschafft, manches nicht. Aber was ich mir nicht vorgenommen habe, ist mir geschenkt worden: neue Einsicht in die Natur meines Lebens und meines Charakters. Ich habe im Innersten verstanden (mit dem Verstand wusste ich es ja immer schon), dass ich selbst dafür verantwortlich bin, ein guter Mensch zu sein und glücklich zu sein. Dass ich um Glück nicht beten kann, weil ich selbst die Wahl und die Verantwortung dazu habe. Dass ich selbst entscheiden darf und muss, was ich will - nur dann habe ich eine Chance, es auch zu bekommen.
Der Ramadan neigt sich dem Ende zu, nur ein paar Tage noch, dann kehrt wieder der Alltag ein mit genug Schlaf und Kaffee im Büro, mit Familienabendessen und Routine. Ich freue mich darauf. Den Ramadan und die Veränderungen im Herzen, die will ich aber bewahren und hüten wie einen Schatz.
Danke für dein Post und den Einblick.
AntwortenLöschenAlhamdulillah. ich freue mich für dich, dass du soviel dazugewonnen hast.
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